Was ist eigentlich eine „Brötchentaste“? Ein Plädoyer!

Michael Musto, Autor des Beitrags

In den 1990er-Jahren wurde in deutschen Städten die eklatante Fehlentwicklung durch eine jahrelange Einzelhandelsansiedlungspolitik auf der „Grünen Wiese“ sichtbar, weil die Umlenkung der Kaufkraft, weg von den Nahversorgungsmöglichkeiten in den Stadtteilen, zum Sterben von kleinen Geschäften vor Ort in den Wohngebieten führte.

Wer kennt Sie nicht, die unschönen Leerstände in den Kölner Veedels-Einkaufsstraßen, wenn sie zum Beispiel auf der Venloer oder Neusser Straße, dem Eigelstein, der Deutzer Freiheit oder der Dellbrücker Hauptstraße und anderen vorkommen?

In Italien übliche Stadtteil-Metzgerei

Wer also in betroffenen Stadtteilen wohnte, wie überall dort, wo Schlüsselgeschäfte wie Metzgereien schlossen, der musste sich langsam daran gewöhnen, mindestens ein bis einige Male in der Woche mit dem Auto auf die sogenannte Grüne Wiese zu Discountern und Supermärkten zu fahren.

Der hierdurch entstandene Autoverkehr ist heute noch für die Optimierung der Ökobilanz und die Reduzierung von CO2-Emissionen in den Großstädten ein harter Schlag.

In den betroffenen Stadtteilen ist der größte Schaden aber der, wenn eine fußläufige Nahversorgung in sich zusammengebrochen ist und die Abwertung der ebenerdigen Einzelhandelslagen zum Beispiel durch Spielhallen, Ein-Euro-Shops, Billigketten die Wohnattraktivität der Veedel, je nach Konzentration, deutlich kompromittiert hat.

Übrigens sei an dieser Stelle gesagt, dass der Autor dieses Beitrags im Einzugsbereich Köln-Ebertplatz, Neusser Straße bis Agneskirche und Eigelstein aufgewachsen ist. Und Ende der 1960er und noch während der 1970er Jahre gab es dort nicht die Notwendigkeit, Güter des alltäglichen Bedarfs mit dem Auto einzukaufen, denn alle Geschäfte waren noch vor Ort und zu Fuß erreichbar. Noch heute erinnere ich mich auf der Neusser Straße, gegenüber des späteren DS, Deutscher Supermarkt, an den Duft des frisch gerösteten und gemahlenen Kaffees aus dem Fachgeschäft mit den Messingbehältern, aus denen die Kaffeebohnen entnommen wurden. Und an das kleine Lebensmittelgeschäft und die Veedels-Metzgerei in der Lupusstraße im Abschnitt zwischen Riehler- und Balthasarstraße, die nahezu täglich mit der Oma aufgesucht wurden.

Kaum jemand im Veedel musste damals mit dem Auto irgendwo hin fahren, um sich zu ernähren!

Heute geht dies an einigen Orten wieder, auch weil Supermarktketten auf den Ruf nach fußläufiger Nahversorgung reagieren und Konzepte kleiner City-Märkte in den Veedelseinkaufsstraßen umsetzen.

Trotzdem hat sich in den Einkaufsgewohnheiten bei großen Teilen der Stadtbevölkerung das mindestens ein Mal wöchentliche Einkaufen mit dem Auto etabliert. Zu Fuß geht definitiv nicht überall.

Nachdem die Politik endlich das Problem – auch nach Druck vieler Interessengemeinschaften und Bürgervereinigungen – in den Fokus nahm, wurde als erster Schritt die Neuansiedlung von Einzelhandelszentren auf der „Grünen Wiese“ weitestgehend hart reglementiert, quasi zum Erliegen gebracht. Einzelhandelskonzepte regeln nun Vieles, auch in den urbanen Bereichen der Stadtteile.

Was aber kann nun getan werden, um die Stadtteil-Einkaufsstraßen wieder zu revitalisieren?

Die Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung – wenn Menschen nun vielleicht ein bis mehrere Male wöchentlich mit dem Auto fahren – wieder „back to the roots“ in die Stadtteile zurückzulenken, ist nicht von heute auf morgen möglich. Übrigens auch aufgrund dieser Zähe bei Einkaufs-Umlenkungs- und Gewöhnungsprozessen wurde der Kölner „Viktualienmarkt“ vor Jahren auf dem Heumarkt von der Bevölkerung nicht angenommen. Wer sich dort im Einzugsbereich befand, wollte Jeans, einen Fernseher oder Schuhe kaufen und danach die Gastronomie aufsuchen. Schwere oder kühlbedürftige Einkaufstüten von einem Frischemarkt waren dabei nur lästig.

Die Veedel sind die vielen Herzen, die in einer polyzentrischen Stadt wie Köln schlagen!

Und deswegen müssen neue Rahmenbedingungen für die kleinen Einzelhandelsgeschäfte her. Für die, die noch da sind oder die, die neu kommen wollen. Daher ist das 15-Minuten-Frei-Parken, umgangssprachlich „Brötchentaste“ genannt, eine kleine Maßnahme von vielen, die eine Kommune zur Verfügung stellen kann und muss.

In Deutz – wie in fast allen Stadtteilen – gibt es viel Autoverkehr. Jeder wäre froh, wenn dieser Verkehr weniger würde.

Es ist zu beobachten, dass oft Berufstätige am Nachmittag oder frühen Abend über die Deutzer Freiheit fahren und anhalten, einige Dinge schnell einkaufen und wieder wegfahren.

Dieser und noch mehr Umsatz wird von den anliegenden Geschäften womöglich schon benötigt, um sich über Wasser zu halten. Der kleine Geschenkeladen, das Käsefachgeschäft, die Buchhandlung, die Blumengeschäfte sind vielleicht auf diese Kunden angewiesen, die oft über die Deutzer Brücke fahrend, lediglich den schnellen Schlenker über die Deutzer Freiheit nehmen.

Hier geht es doch darum, die Kunden anzuziehen, die bereits im Auto sitzen, also ohnehin schon fahren, um kostenfrei parken und schnell ein Veedelsgeschäft unterstützen zu können und sie eben nicht der Grünen Wiese zu überlassen.

Niemand aus Deutz fährt mit dem Auto, wegen einer Brötchentaste, öfter auf die Deutzer Freiheit, um Brötchen zu kaufen!

Wer das behauptet, macht analytisch einen schlechten zeitlichen Quer- ohne den notwendigen historischen Längsschnitt der Entwicklung und hat die Zusammenhänge nicht im Blick.

Niemand will zusätzlichen Autoverkehr generieren!

Aber was vor Jahrzehnten kaputt gemacht wurde, muss leider mühsam und manchmal mit vielleicht unliebsamen Mitteln repariert werden.

Zumal die klammen Kassen der Kommunen die Parkgebühren immer mehr in die Höhe treiben, ist der Schritt ein guter, die Menschen mit kleineren Einkommen auch einmal zu entlasten!

Wo man wirklich in einer Viertelstunde etwas bei der Post oder der Bäckerei erledigen kann und vielleicht auch altersbedingt nicht mehr so gut zu Fuß ist, um fernab zu halten, kann und soll es nun in ganz Köln mitten in den Veedeln kostenfrei geschehen können. Ein 15-Minuten-Fenster begünstigte zudem einen schnellen Takt bei der Verfügbarkeit der Parkplätze.

Rein ideologische Denkmuster können nicht die alleinigen Grundlagen sein, nach denen in einer Millionenstadt Entscheidungen getroffen oder Fehler der Vergangenheit nicht beseitigt werden.