Interview mit Landtagsabgeordneter Serap Güler zu Großdemos in Deutz

Es ist schon Herbst und es wird langsam kälter. Wenn man an den Sommer 2016 in Deutz zurückdenkt, denkt man sicherlich auch an die Großdemonstrationen, von denen gleich drei innerhalb von zwei Monaten auf der Deutzer Werft stattgefunden haben.

Wir stellen unserer Landtagsabgeordneten Serap Güler (Foto unten) Fragen zu diesem Thema. Serap Güler tritt bei der Landtagswahl NRW im Mai 2017 erneut an. In ihrem Wahlkreis liegt auch Köln-Deutz.

Liebe Serap Güler,

Am 31. Juli 2016 waren rund 40.000 Demonstranten bei der Pro-Erdogan-Demo in Deutz, daneben 2.700 Beamte. Der Kölner Heumarkt war aber ursprünglich als bevorzugter Ort ausgemacht worden.

1) Warum ist Deutz  ein so beliebter Ort in Köln für Großdemonstrationen? Liegt es an der zentralen Lage, den räumlichen Gegebenheiten auf der Deutzer Werft?

Die zentrale Lage ist sicherlich einer der Gründe und im Gegensatz zum Heumarkt ist es auf der Werft doch übersichtlicher für unsere Sicherheitskräfte. Im Fall der Erdogandemo hat man im Vorfeld Auseinandersetzungen erwartet. Das war einer der Gründe, warum man die Demo von der Innenstadt verlegt hat. Aber natürlich gibt es auch andere Lagen, auch am Rhein, die m.E. besser für eine Demo geeignet wären, allein schon aus verkehrstechnischen Gründen.

Eigentlich darf der Veranstalter doch den Ort einer Kundgebung bestimmen und nicht die Polizei.

2) Woran hat es gelegen, dass die Erdogan-Anhänger nicht auf den Heumarkt durften?

Weil im Falle von mehreren Auseinandersetzungen das Händeln der Situation auf der Werft sicherlich besser gelungen wäre, als an einem doch recht unübersichtlichem Platz wie dem Heumarkt. Der Veranstalter gibt an, wo er die Demo gerne halten möchte. Das letzte Wort hat aber die Polizei, wenn die öffentliche Sicherheit durch eine Demo beeinträchtigt werden kann. Bei der Erdogandemo hatte man eben diese Sorge, weshalb ja auch so viele Polizeibeamte im Einsatz waren.

Am 03. September 2016 fand dann die Großdemo der Kurden auf der Deutzer Werft statt. 30.000 Kurden und rund 1.000 Beamte waren hier vor Ort. Während der Kurden-Kundgebung wurde die Deutzer Brücke gesperrt, weil ein herrenloser Rucksack gefunden wurde, der – wie sich im Nachhinein herausstellte – Diebesgut war.

3) Wie ist das zu rechtfertigen?

Die Sperrung ist nach den Terroranschlägen in unseren Nachbarländern oder den Versuchen in unserem Land mit der hohen Sensibilität bei der Polizei zu rechtfertigen. Gewiss, ist das mehr als ärgerlich, aber es hätte eben auch anders ausgehen können.

4) Auch wenn die Veranstaltungen friedlich verlaufen sind, wird unser Stadtteil  durch die Demos unsicherer?…

Unsicherer nicht, aber viele Anwohner sind durch die Demos nur noch genervt – was ich nachvollziehen kann. Aber das Demonstrationsrecht ist in unserer Verfassung verankert, was auch gut so ist. Deshalb muss man sagen: Bei allem Verständnis: Unsere Demokratie muss auch Demos aushalten, die sie nicht gut heißt, oder von denen sie genervt ist. Auch, wenn sie vor der eigenen Haustür stattfinden.

5)… oder ist genau das Gegenteil der Fall, wegen des riesigen Polizeiaufgebots?

Auch das wäre übertrieben. Die Beamten sind ja vor allem auf die Demo und die dortigen Abläufe konzentriert. Sonst würde es ja auch keine Taschendiebstähle auf Großveranstaltungen geben, die immer dazu gehören.

demottipNach den beiden Protesten von Türken und Kurden haben noch die Gegner des Freihandelsabkommens TTIP am 17. September 2016 in Deutz (Foto) demonstriert. Die IG Deutz hat sich bereits an unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker gewandt. Der Vorstand möchte sich dafür einsetzen, dass auch andere Orte für Großdemonstrationen in Erwägung gezogen werden.

Die Geschäfte auf der Deutzer Freiheit haben an Demonstrationstagen einen Kundenrückgang von über 50 % zu verzeichnen. Auch die Parkmöglichkeiten und der Lärmpegel am Wochenende sind für die Anwohner nur schwer hinzunehmen.

6) Warum konnte sich dieser Gedanke nicht schon diesen Sommer durchsetzen?

Das ist sicherlich ein Versuch wert. Ich fürchte jedoch, dass dies in den allermeisten Fällen nur mit einem Einreden auf den Veranstalter möglich sein wird. Da das Demonstrationsrecht dem Veranstalter ja auch einräumt zu entscheiden, wo die Demo stattfinden soll. Nur in den Fällen, wo  die öffentliche Sicherheit unter Gefahr steht, kann eingeschritten werden. Dieses Einschreiten muss dann aber auch stichfest und vor Geeicht haltbar sein. Die aufgeführten Gründe, so ärgerlich sie sind, werden kein Gericht davon überzeugen, dass die Demo woanders stattfinden soll. Deshalb: So begrüßenswert die Initiative der IG Metall ist, bezweifele ich, dass sie etwas bringen wird. Es müsste daher vielmehr der Dialog mit dem Veranstalter gesucht werden, wo ihm deutlich gemacht wird, wie sehr die Umgebung von seiner Veranstaltung leidet.

7) Wie sollen sich Geschäftsinhaber und Anwohner dabei verhalten und wie steht Deutz dazu?

Ich denke, hier wäre ein gemeinsamer öffentlicher Appell richtig, indem deutlich gemacht wird, dass man zu dem Recht auf Demonstrationen steht, dies aber massive Beeinträchtigungen auf das Geschäft und den Alltag mit sich bringt. Dieser kann zur Sensibilisierung beitragen – bei der Stadtspitze und bei den Veranstaltern. Aber auch bei der Polizei, wenn sie wie bei der Erdogandemo Deutz als Alternative in Betracht zieht.

Sicherlich ist es erfreulich, dass alle drei Veranstaltungen friedlich verlaufen sind und Deutz konnte wieder unter Beweis stellen, dass es neben der Kirmes und diversen Lanxess-Arena-Konzerten Großveranstaltungen zu meistern versteht. Am Ende hat doch fast alles seine Vor- und Nachteile.

8) Auch zukünftig wird es Großdemonstrationen in Köln geben, welche Stadtteile bieten sich neben Deutz dafür an und gibt es schon Pläne bezüglich der Bestimmungen des Ortes? Irgendwann sollte doch jeder Stadtteil bzw. jeder, der sich dafür eignet, drankommen.

Auf Deutz kommen die meisten Veranstalter ja von alleine, d.h. meistens ist es kein Ausweichort. Selten will jemand in Flittard demonstrieren, weil man mit einer Demo natürlich auch maximale Aufmerksamkeit ziehen möchte. Man kann aber auch Niehl oder Rodenkirchen in Betracht ziehen. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn es hierzu baldmöglichst Vorschläge vom Stadtvorstand geben würde.

Frau Güler, herzlichen Dank für das Interview!

Das Gespräch führte Marie-Kristin Wiesweg-Zimmermann

Fotos: Serap Güler MdL: Landtagsbüro Serap Güler, Deutzer Werft, TTIP-Demo: Michael Musto